Ein neues ambulantes Zentrum mit Basel-Stadt: Baselbieter Gesundheitsdirektor Jourdan präsentiert seinen Fünf-Punkte-Plan

Der Artikel erschien am 26. Juni 2024 in der bz:
Neubau und mehr ambulante Medizin: Thomi Jourdan gibt Tarif fürs Baselbiet durch (bzbasel.ch)

«Wenig erfreut», sei die Baselbieter Regierung über das 300-Millionen-Darlehen des Kantons Basel-Stadt an den Neubau des Klinikums 2 seines Unispitals. Das sagte der Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomi Jourdan an dem Tag im Landrat, nach dem der Basler Grosse Rat eben das Darlehen durchgewinkt hatte. Nicht nur damit liess der Baselbieter im Stadtkanton aufhorchen – Kritik am Vorpreschen von Basel-Stadt in der regionalen Gesundheitspolitik brachte er in den vergangenen Monaten mehrfach an.

Das warf nicht nur in Basel die Frage auf: Was will Jourdan, ausser Kritik zu üben? Die bz hat beim Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VGD) nachgefragt – und ausführliche Antworten erhalten. Jourdan legt im Gespräch erstmals seinen Plan für die nächsten Schritte in der Baselbieter Gesundheitsversorgung sowie in der Gemeinsamen Gesundheitsregion beider Basel offen. Es ist Jourdans Fünf-Punkte-Plan.

1.         Stärkung der Ambulantisierung

Eine «Stärkung der Ambulantisierung» nennt Jourdan seinen Punkt eins. Dabei geht es nicht nur um den grundsätzlichen Wechsel zu mehr ambulanter Medizin, der ohnehin mit neuen nationalen Regeln angestrebt wird, sondern um ein stärkeres Ausreizen der Instrumente, «die dem Kanton bereits zur Verfügung stehen», wie Jourdan sagt. Dazu gehört die Möglichkeit eines kantonalen ambulanten Tarifs, der eine kostendeckende, stationär ersetzende Ambulantisierung ermöglicht. Auch eine Ausweitung der «ambulant-vor-stationär-Liste», welche jene Eingriffe definiert, bei denen grundsätzlich nur die ambulante Durchführung vergütet wird, müsse geprüft werden.

Mit dieser Ambulantisierung wäre der Aufbau neuer ambulanter Infrastruktur verbunden – bei gleichzeitig geringerem Bedarf für die wesentlich teureren stationären Strukturen. Jourdan schwebt vor, dass im ländlichen Kantonsteil ambulante Zentren eingerichtet werden. Das könne etwa in Zusammenarbeit mit der Ärztegesellschaft stattfinden, damit ein dezentrales Versorgungsnetz an Ambulatorien entstehen kann. Jourdan spricht in Anlehnung an das eben eröffnete Laufner Gesundheitszentrum des Kantonsspitals Baselland (KSBL) von «Laufen light».

Daneben sollte ein zentral zugängliches ambulantes Zentrum für chirurgische Eingriffe gebaut werden, das für die vereinzelt notwendigen Kurzaufenthalte über eine kostengünstige hotelähnliche Infrastruktur, statt über eine teure Spitalinfrastruktur verfügen könnte. «Ein solches Zentrum müsste zwingend gemeinsam mit Basel-Stadt und bestenfalls ergänzend dazu in Zusammenarbeit mit privaten Anbietern errichtet werden», sagt Jourdan. Er bevorzugt einen gut erreichbaren Standort in der stadtnahen Agglomeration. Standorte auf dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt hält er, nach den Diskussionen um die Erreichbarkeit und die Parkplätze beim Universitätskinderspital (UKBB), für weniger geeignet.

2.    Reduktion der angebotsgetriebenen Eingriffe

Ein massiver Kostentreiber im Gesundheitswesen ist, dass mehr medizinische Leistungen beansprucht werden, als nötig wären. Diese Überversorgung führt zu Millionen von Mehrausgaben in der Schweiz. Auch Jourdan sagt offen: «Wir haben die Ziele zur Reduktion dieser Überinanspruchnahme noch nicht erreicht.»

Eine Evaluation des aktuellen Instrumentariums sei daher zwingend, so Jourdan, und war die Bedingung seitens Baselland vor der Neuauflage der Spitalliste. Es brauche griffigere, anreizorientierte Instrumente, um die Überinanspruchnahme zu reduzieren. Das heisse auch, dem Preisargument bei der Leistungsvergabe grösseres Gewicht zu geben. Wesentlich sei zudem, dass die Spitalinfrastruktur der kantonseigenen Leistungserbringer auf die versorgungsplanerischen Zielwerte ausgerichtet wird.

3.    Spitzenmedizin fokussieren

Wie sieht Jourdan die universitäre Medizin? Jourdan formuliert es so: «Das USB als kleinstes Universitätsspital der Schweiz sieht sich einem harten Wettbewerb gegenüber.» Weil das Einzugsgebiet der Region Basel für ein Universitätsspital klein ist, sieht Jourdan ohne grundsätzliche Massnahmen die Spitzenmedizin in der Region langfristig in Gefahr. Sein Ansatzpunkt: die Spitzenmedizin mit einer nationalen Sichtweise stärker konzentrieren.

«Die hochspezialisierte Medizin (HSM) in der Schweiz kann an weniger Standorten stattfinden. Mehr Fälle pro Standort führen zu mehr Qualität bei geringeren Kosten», sagt Jourdan. Er sieht dabei zudem die Chance, den Standort des USB zu sichern: «Eine stärkere Konzentration von HSM-Leistungen auf weniger Standorte bedeutet, dass die einzelnen Standorte zwar weniger Disziplinen haben, dort aber wesentlich mehr Fälle.» Dadurch werde auch der Forschungsstandort Schweiz im internationalen Forschungswettbewerb durch die Bündelung der Kompetenzen gestärkt.

4.    Optimierung der Gesundheitsregion

Und dann bringt der Gesundheitsdirektor aufs Tapet, was aktuell auch in den Bereichen Universitätsvertrag und Infrastruktur im Baselbiet ein Thema ist: «Eine Partnerschaft muss die unterschiedlichen Ausstattungen der Partner berücksichtigen», sagt Jourdan. Das heisst, Basel-Stadt ist finanziell deutlich besser aufgestellt und verfügt über eine enorme Dichte an Gesundheitsdienstleistern. Er sagt aber auch: «Eine Partnerschaft funktioniert nur, wenn sie sicherstellt, dass durch die Partnerschaft auftretende Asymmetrien zwischen den Partnern ausgeglichen werden».

Damit spricht Jourdan die volle Patientenfreizügigkeit an, welche in den beiden Basel weiter geht als die Schweizer Regelung: Und sie ist ein wesentlicher Kostenfaktor, weil für gleichen Leistungen je nach Spital unterschiedliche Kosten anfallen. So kommt eine einfache Blinddarmoperation zum Beispiel am Unispital Basel teurer zu stehen als im Kantonsspital Baselland in Liestal.

Da viele Baselbieterinnen und Baselbieter das USB auch für Routineeingriffe aufsuchen, kommt das den Landkanton, der jeweils 55 Prozent an die stationären Behandlungen bezahlt, teuer zu stehen. «Die volle Patientenfreizügigkeit führt im Kanton Basel-Landschaft zu höheren Kosten, für gleiche Leistungen», sagt Jourdan. Für ihn sei klar, dass dies politisch nicht erklärbar ist und die Gemeinsame Gesundheitsregion gefährdet. Daher brauche es aus seiner Sicht eine «tarifarische Sicherstellung von gleichen Kosten für gleiche Leistungen – unabhängig des Leistungserbringers».

5.         Infrastrukturplanung beide Basel koordinieren

Noch ist öffentlich nicht bekannt, wie die künftige Strategie des KSBL aussieht. Der Erneuerungsbedarf ist grundsätzlich hoch, auch wurden bereits Pläne für ein neues Bruderholzspital bekannt. Angesichts des möglichen Aufbaus ambulanter Zentren muss die Frage aber grundsätzlicher und umfassender angegangenen werden. Offensichtlich ist auch, dass die bisher bekannten Pläne des USB und des KSBL zur Erneuerung ihrer Infrastruktur die heutige Überversorgung buchstäblich zementieren würde.

«Wir wollen auf keinen Fall das Falsche bauen», sagt Jourdan. Deshalb wolle er die Versorgungsziele besser mit dem Eignerpotenzial des Kantonsspitals verbinden. In diesem Zusammenhang fordern auch zwei überwiesene Vorstösse in den Parlamenten beider Basel eine engere Zusammenarbeit von USB und KSBL. «Die geforderte stationär ersetzende Ambulantisierung sowie die Dämpfung der Mengenentwicklungen haben klare Auswirkungen auf die Infrastrukturprojekte USB und KSBL», sagt Jourdan. Ein Abgleich der Strategien der beiden grossen öffentlichen Spitäler ohne ein einseitiges Vorpreschen eines Kantons sei für eine gemeinsame Planung daher unumgänglich. «Das muss unser Anspruch als Regionalisten sein», stellt Jourdan klar.

© 2024 Thomi Jourdan